Der Weg ins Freie by Schnitzler Arthur

Der Weg ins Freie by Schnitzler Arthur

Autor:Schnitzler, Arthur [Schnitzler, Arthur]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Klassiker, Literatur, Österreich
veröffentlicht: 2011-04-12T23:00:00+00:00


Der Brief der Frau Rosner enthielt die Mitteilung, daß daheim alles wohl sei, daß man sich sehr freue, Anna bald wieder zu sehen, und daß Josef in der Administration des »Volksboten« mit fünfzig Gulden Monatsgehalt angestellt sei. Ferner wäre eine Anfrage von Frau Bittner eingelangt, wann Anna aus Dresden zurückkäme, und ob es überhaupt sicher wäre, daß sie im nächsten Herbst wieder da sei, weil man sich andernfalls doch nach einer neuen Lehrerin umsehen müßte... Anna blieb regungslos und äußerte sich nicht.

Dann las Georg Heinrichs Brief vor. Er lautete: »Lieber Georg, ich freue mich sehr, daß Sie so bald zurück sein werden, und schreib Ihnen das lieber heute, weil ich Ihnen ja doch, wenn Sie einmal da sind, nie sagen werde, wie sehr ich mich darüber freue. Vor ein paar Tagen an der Donau, auf einer abendlich einsamen Radpartie hab ich eine wahre Sehnsucht nach Ihnen bekommen. Was übrigens diese Ufer für einen unverwischbaren Duft von Einsamkeit haben! Ich erinnere mich das schon vor fünf oder sechs Jahren einmal empfunden zu haben, an einem Sonntag, wie ich in, was man so nennt, lustiger Gesellschaft im Klosterneuburger Stiftskeller gesessen bin, in dem großen Garten, mit dem Blick auf die Berge und zu den Auen. Wie aus den Tiefen des Wassers kommt sie emporgestiegen, die Einsamkeit, die ja offenbar überhaupt etwas ganz anderes vorstellt, als man gewöhnlich meint. Keineswegs einen Gegensatz zur Geselligkeit. Ja vielleicht hat man nur unter Menschen das Recht, sich einsam zu fühlen. Nehmen Sie das als aphoristisch, lächerlich-unwahres Extrablättchen, oder legen Sie es auch als solches beiseite. Um wieder auf meine Donauuferfahrt zu kommen, – gerade in jener etwas schwülen Abendstunde sind mir allerlei gute Einfälle gekommen, und ich hoffe Ihnen bald manches Sonderbare über Ägidius erzählen zu können, wie der mordlustige und traurige Jüngling nun endgültig benannt ist, über den tiefsinnig-undurchdringlichen Fürsten, über den lächerlichen Herzog Heliodor, unter welchem Namen ich Ihnen den Bräutigam der Prinzessin vorzustellen die Ehre habe, und ganz besonders über die Prinzessin selbst, die ein viel merkwürdigeres Geschöpf zu sein scheint, als ich anfangs vermutet habe.«

»Das bezieht sich auf den Operntext?« fragte Anna und ließ ihre Arbeit sinken.

»Natürlich«, antwortete Georg und las weiter.

»Sie sollen auch gleich erfahren, mein Lieber, daß ich in den letzten Wochen einige vorläufig nicht besonders unsterbliche Verse zum ersten Akt verfertigt habe, die nun bis auf weiteres, ohne Ihre Musik nämlich, in der Welt herumhüpfen, wie ungeflügelte Engel. Der Stoff reizt mich in seltsamer Weise. Und ich bin schon selber neugierig, worauf ich eigentlich mit ihm hinaus will. Auch allerlei anderes hab ich begonnen... entworfen... bedacht. Und, kurz und frech gesagt, es ist mir, als kündigte sich eine neue Epoche in mir an. Doch das klingt frecher, als es ist. Denn auch Rauchfangkehrer, Salamutschimänner und Feldwebel haben ihre Epochen. Unsereiner weiß es nur immer gleich. Was ich für sehr wahrscheinlich halte, ist, daß ich aus dem phantastischen Element, in dem ich mich jetzt behage, sehr bald in ein höchst reales hinab oder hinauf steigen dürfte. Was würden Sie zum



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